Die Erinnerung an die einst isolierte Stadt sei ohne Bezug. Der gut 50 Jahre alten Steinklotz, der mal als solidarisches Zeichen für die Inselstadt galt, soll wieder in die Mottenkiste. Findet jedenfalls mehrheitlich der Ortsbeirat 1.
Michael Damm sieht in dem Stein nichts anstößiges. Foto: FR/Schick
Ein Votum des Ortsbeirats 1 macht momentan quasi bundesweit die Runde. Zumindest in Bad Vilbel und in Berlin. Und wie das manchmal mit Voten von Lokalpolitikern ist: Sie sorgen für Aufregung. Grund für das Augenmerk auf die Frankfurter Lokalpolitik ist ein Kilometerstein, ein Stück steinerne Solidarität, das die Bundesregierung in den 50er und 60er Jahren an westdeutschen Autobahnen aufstellen ließ. Darauf eingemeißelt war die jeweilige Entfernung zum von der DDR umgebenen Berlin. Die Aktion wurde später vom Bund der Berliner und Freunde Berlins (BdBFB) bis in die 90er Jahre weitergeführt. An knapp hundert Stellen in Westdeutschland standen da „die Steine der Solidarität“. Die meisten sind inzwischen abgebaut, auch der in Frankfurt.
CDU war sofort angetan
Der zuständige Ortsvorsteher Wolfgang Kreickmann (CDU) war sofort angetan von dieser
Idee. Doch der Antrag, den er aufsetzte, wurde vom Ortsbeirat 1 abgelehnt. Knapp zwar,
aber eben abgelehnt.
Anderswo, zum Beispiel in Berlin und Bad Vilbel, ist man darüber empört. „Das ist doch
ein Schildbürgerstreich“, findet eine Aktive des Vereins Berliner Bärenfreunde in Berlin.
Ganz unverhohlen äußert sich ein Vilbeler: „Es ist eine Schande, wie provinziell eine
vermeintliche Weltstadt mit ihrer Geschichte umgeht.“ Ganz im Gegensatz zu seiner Heimat:
In Bad Vilbel wurde jetzt der frühere Kilometerstein an der ursprünglichen Stelle, dem
historischen Rathaus, wieder aufgestellt. Initiator: Michael Damm.
SPD und Grüne brauchen den Stein nicht
In Frankfurt aber hat sich die Mehrheit des Ortsbeirats 1 klar gegen das Symbol aus der
Zeit des Kalten Krieges ausgesprochen. So begründet Andreas Laeuen von den Grünen: „Wir
leben doch im Föderalismus. Es braucht keinen Stein, der nach Berlin verweist.“ Und an
der Berliner Straße, wo der Stein nie stand, würden die wenigsten einen Bezug herstellen.
Auch die SPD lehnt Damms Vorschlag ab. Die Wiedervereinigung habe schon lange
stattgefunden, solche Aktionen für Berlin gehörten der Vergangenheit an.
Findet Michael Damm nicht: „Trotz der deutschen Einheit haben viele Vorurteile gegenüber
neuen und alten Bundesländern überlebt. Ob an Stammtischen oder in der Tagespolitik. Der
Stein mit dem Berliner Bär könnte Denk- und Mahnmal, Attraktion und Erinnerung zugleich
sein.“ Aber nicht an der Autobahn, nicht nahezu unsichtbar.
Damms Interesse kommt nicht von ungefähr: Er ist der Sohn von Ernst Theodor Damm, Gründer
des „Referats Berlin“ des BdBFB, das maßgeblich an der Verbreitung der Bärensteine
beteiligt war. Damm senior hielt fast 700 Vorträge im In- und Ausland und warb für
Berlin, gegen die „Berlin-Müdigkeit“, wo er nur konnte. Dieses Engagement blieb nicht
verborgen: 1961, kurz vor der Errichtung der Mauer, ehrte ihn der damalige amtierende
Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt.
Sohn Michael Damm hat sein Anliegen vor kurzem Oberbürgermeisterin Petra Roth schriftlich
vorgetragen. Roth aber hält so eine Aktion „nicht für sinnvoll.“ Die Steine seien in
den 50ern bewusst an den Autobahnen aufgestellt worden. Sie dort wieder zu platzieren,
das könne sie sich schon vorstellen.
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Quelle: Frankfurter Rundschau
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